Zu Beginn einer psychotherapeutischen Begleitung bei selektivem Mutismus wird, je nach Entwicklungsalter, gemeinsam ein Problemverständnis erarbeitet, bzw. die Motivation zur Mitarbeit gestärkt und unterstützt. Dann wird von therapeutischer Seite her ein individualisiertes, schrittweises Vorgehen geplant. Dieses orientiert sich an folgenden fünf Bereichen:
1. Teilnehmen und Handeln
2. Aufbau und Förderung der nonverbalen Kompetenzen, hin zu verbaler Kommunikation
3. Stärkung der Selbstregulation (Gefühle wahrnehmen und regulieren)
4. Stärkung der Selbstwirksamkeit
5. Transfer zum Alltag mit Hilfe von Eltern, anderen Angehörigen und pädagogischen Fachpersonen.
Für das Gelingen einer Psychotherapie bei selektivem Mutismus spielt es eine grosse Rolle, dass sowohl das Kind als auch die Eltern eine Bereitschaft zeigen an der Symptomatik zu arbeiten, da es sich zumeist um eine lange Therapie in kleinen Erfolgsschritten handelt.
Neben der therapeutischen Begleitung des Kindes und der Eltern ist die Zusammenarbeit mit dem Kindergarten, der Schule und anderen Orten des Schweigens zentral. Von grosser Bedeutung ist zudem für alle Beteiligten die Vermittlung von Wissen über selektiven Mutismus und den Umgang damit. In der Therapie geht es nicht primär darum, das Kind zum Sprechen zu bringen, sondern, den Druck zu reduzieren, Ängstlichkeit und Verunsicherung abzubauen und über den Aufbau von Selbstwirksamkeit die Voraussetzung zum Sprechen zu schaffen. Dem Tempo des Kindes entsprechend werden niederschwellige Sprechanlässe gesucht und dem Kind zugemutet, kleine Sprechanforderungen zu bewältigen. Schliesslich wird dem Kind von therapeutischer Seite, aber auch von anderen involvierten Bezugspersonen her Zuversicht vermittelt, dass das Sprechen eines Tages gelingen wird. Im gesamten Prozess darf das Kind das Tempo mitbestimmen.
Psychotherapie bei selektivem Mutismus gehört wünschenswert in die Hände von mit dem Störungsbild vertrauten Fachpersonen.